Sonntag, 5. Juli 2015

Feuer!

Warum früh in der dry season abgebrannt wird • Was ein wildfire ist • Weshalb man auf die Praktiken der Aborigines zurückkommt • Wie Pflanzen Feuer überstehen.

Die Kimberley-Region in Nordwesten Australiens liegt in der tropischen Zone und kennt damit eine ausgeprägte Regenzeit (“the Wet”, ca. Dezember bis März) und eine Trockenzeit (“the Dry”, ca. April bis November). Während der Regenzeit fahren immer wieder Tiefdruckzellen oder sogar Wirbelsturmtiefs über die Region und entladen sich. Letztere haben wir während unserer Reise auf der Wetterkarte verfolgt. Der bereits früher erwähnte Cyclone “Olwyn” war dieses Jahr der schwerste Sturm, danach gab es zum Mai-Anfang noch einmal ein Sturmtief, und seither ist Trockenzeit. Das heisst, dass bis im November oder sogar Dezember nicht mehr mit Regen zu rechnen ist. Am Morgen geht die Sonne auf (kurz nach 6 Uhr), scheint den ganzen Tag — bei ca. 35°C Höchsttemperatur —, dann geht sie wieder unter (kurz vor 17 Uhr). Und das jeden Tag. Dadurch trocknet die anfangs sehr grüne Vegetation nach und nach aus, bis alles dürr ist wie Zunder.

Ein “ganz normaler” Buschbrand am Strassenrand

Die Frage ist deshalb nicht, ob es zu brennen beginnt, sondern wann und wo. Die Brandursache können Blitze sein, menschliche Unachtsamkeit im Umgang mit Feuer oder Brandstiftung. Für letztere werden oft die Aborigines verantwortlich gemacht, die es offenbar nicht lassen können, brennende Zündhölzer ins dürre Gras werfen (mehr dazu weiter unten). Je später in der Trockenzeit das Feuer ausbricht, umso heftiger und heisser ist es (late dry season wildfire), und umso schneller und auf grösserer Fläche verbreitet es sich. Das ist zum Einen einfach “nature at work”, zum Anderen ist es aber verheerend für Pflanzen und Tiere, die danach oft viele Jahre brauchen, um sich wieder zu erholen. Sind Arten ohnehin schon unter Druck, z.B. wegen Land- oder Viehwirtschaft oder wegen Raubtieren (z.B. wilde Hauskatzen), dann kann ein extremes Feuer Pflanzen- oder Tierarten auslöschen.

Die Aborigines haben vor Tausenden von Jahren schon herausgefunden, dass sie der Natur — und sich selbst — helfen können, wenn sie früh in der Trockenzeit räumlich eng begrenzte Feuer legen (engl. burn off). Ein Teil der Pflanzen ist dann nämlich noch grün, sodass ein solcher Brand nicht sehr heiss wird (early dry season cool fire), meist die kühle Nacht nicht überdauert und deshalb nicht sehr weit kommt. Es verbrennt nur das dürre Material (fuel). Die meisten Tiere, die in dem Brandgebiet leben, können sich verkriechen oder auf die nicht behelligten Nachbarparzellen flüchten. Da ein grosser Teil des brennbaren Materials bereits verbrannt ist und somit auch nicht weiterwächst, ist ein Feuer an diesem Ort gegen das Ende der Trockenzeit wenig wahrscheinlich, weniger heftig oder kommt dort sogar ganz zum Erliegen.

Kurz nach dem burn-off (Mornington Wilderness Sanctuary)

Echse auf der Flucht vor dem Feuer

Auf dem abgebrannten Land verlieren die Tiere einen Teil ihrer Deckung und konnten von den Aborigines so leichter gejagt werden, resp. sie können mit Feuer gezielt getrieben und dann erlegt werden. Zudem fördert Abbrand stets neuen Pflanzenwuchs, was wiederum Tiere anzieht, z.B. Kängurus, die dann dem Speer zum Opfer fallen. Ganz uneigennützig war ihr land management via Brandstiftung also nicht. Über die Jahrtausende hat dieses fire management die Vegetation von grossen Teilen Australiens nachhaltig verändert. Als Überlebensstrategie sind hier viele Pflanzen zu einem hohen Grad feuerresistent geworden:
  • sie brennen sehr schlecht und verbrennen deshalb nur aussen (z.B. sehr dicke Baumrinde)
  • sie erholen sich schnell (z.B. sie lassen abgebrannte Äste fallen, neue Äste spriessen direkt aus dem Stamm oder dem Wurzelstock)
  • sie brauchen das Feuer, damit sich die Samen aus ihren Früchten lösen. Während diese Pflanzen also selbst verbrennen—und die konkurrierenden Pflanzenarten um sie herum ebenfalls eliminiert werden—, öffnet die Hitze die Früchte, die Samen fallen heraus und spriessen beim nächsten Regen auf dem nährstoffreichen Aschenoden. Die neue Pflanze braucht aber oft ein paar feuerfreie Jahre, bis sie selbst Samen produzierten kann. Brennt es zu oft, stirbt die Linie aus; ist das Feuer zu heiss, verbrennen auch die Samen. In beiden Fällen entsteht dann die Gefahr von Bodenerosion, was wiederum bedeutet, dass die Regeneration Jahrzehnte oder Jahrhunderte dauern kann oder gar nie mehr stattfindet.
Dicke Baumrinde schützt den Kern

Äste spriessen direkt aus dem Stamm

Spinifex-Gras spriesst nach dem Brand links vom Weg (rechts vom Weg: kein Brand)

Als in den 1970er-Jahren der Preis für Schafwolle fiel, wurden viele Schaffarmen aufgegeben und das Land sich selbst überlassen. Zudem wollten Umweltverbände und Nationalparkbehörden Gebiete vor Feuern schützen — und haben dies auch erfolgreich getan. In beiden Fällen war das Ergebnis, dass sich über die Jahre riesige Mengen von brennbarem Material angesammelt haben. Irgendwann schlug dann der Blitz ein oder sprang ein Funke und resultierte in verheerenden, grossflächigen Feuern (z.B. Black Saturday in Victoria, 2009), in denen ganze Landstriche vernichtet wurden, Häuser und Städte verbrannten, Menschen und Tiere umkamen.

Obwohl man immer noch grosse Bemühungen unternimmt, dass niemand von Feuer überrascht wird, und dass keine Sach- oder Personenschäden entstehen, wird heute übermassiger fuel build-up wieder aktiv verhindert. So kam man auf die alte Aboriginal-Technik zurück und brennt früh in der Trockenzeit prophylaktisch und kontrolliert über grosse Gebiete hinweg ab. Das Feuer wird dabei von Hand oder mit Helikoptern gelegt und überwacht. Man erzeugt kleine, nicht zusammenhängende Brandgebiete. Diese Arbeit wird häufig von Aborigines ausgeführt oder angeleitet. Da eine bestimmte Parzelle dadurch nur alle paar Jahre einmal abbrennt, können sich Pflanzen und Tiere über mehrere Jahre und Regenzeiten hinweg regenerieren.

Das Feuer war so intensiv, dass selbst die dicksten Eukalypten nicht überlebten

Aus den Samen keimen schon bald neue Pflanzen

Die Aborigines waren nicht sesshaft und sind Bränden ausgewichen und danach weitergezogen. Der moderne Mensch baut Häuser und Infrastruktur, die er vor dem Feuer schützen will. Wie ich das im Kimberley gemacht habe :), beschreibe ich im nächsten Beitrag.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen