Samstag, 5. März 2011

Interview — Teil 3

(Dieser Teil des Interviews wurde im Flughafen von Dubai geführt, aber mangels aktuellem Bildmaterial fehlt das Bild ...).

Teil 1
Teil 2

Leben in Melbourne


Coooo-eeee: Was unterscheidet Melbourne von Bern?

Oliver: Zuerst sicher die Grösse, sowohl einwohner- wie auch flächenmässig. Die 3.8 Millionen Leute wohnen vorwiegend in Einfamilienhäusern, welche sich wie in Teppich vom Meer bis in die Hügel gut 20 km dahinter erstrecken. Was in Bern die Altstadt ist, ist in Melbourne der CBD (Central Business District), aber statt Sandsteinbauten sind es Wolkenkratzer.
Viele werden jetzt wohl sagen, in einer so riesigen Stadt ist man doch nur eine Nummer. Das stimmt in gewissem Masse, aber jedes Quartier ist in sich auch wieder eine kleine Stadt. Mit einer eigenen Poststelle, eigenen kleinen Geschäften, Cafés und Restaurants, Supermarkt, etc.. In Prahran gab es zudem den Prahran-Market (Blog-Eintrag von Jeannine). Bereits nach wenigen Wochen wird man von der Postangestellten, vom Barman oder der Gemüseverkäuferin wiedererkannt, und es fühlt sich nicht anders an als in Bern.
Das Meer hat uns sehr gut gefallen; mit dem Velo war es nur 15 Minuten bis zum Strand. Jogging um den und Rudern auf dem See im Albertpark (Blog-Eintrag hier und hier) fühlte sich so gar nicht wie in einer Millionenstadt an.
Wollten wir allerdings aus der Stadt raus, dann waren es nach Osten eine Stunde und nach Westen zwanzig Minuten Autofahrt.

Wie war das Autofahren im Stadtverkehr?

Anders … die Autofahrer sind sehr geduldig und hupen kaum, wenn man mal im Weg steht. An das Linksfahren gewöhnt man sich schnell. Das spezielle am Verkehr in Melbourne ist, dass man als universelle Regel immer in der falschen Spur fährt (meist hat es zwei in jede Richtung). Fährt man in der linken Spur, dann stehen dort nach der nächsten Kreuzung oder Kuppe plötzlich parkierte Autos. Mit 60 km/h muss man dann schnell reagieren, sonst ist man "gefangen". Fährt man hingegen in der rechten Spur, dann will plötzlich vorne dran einer rechts abbiegen, kann aber wegen dem Gegenverkehr nicht, und man kommt wiederum zum Stehen.

Und dann sind da noch die Trams, die stets in der rechten Spur fahren: fährt man in der linken Spur, und das Tram vor einem hält, dann darf man nicht links vorbeifahren, weil die Fahrgäste auf die linke Spur aussteigen; fährt man in der rechten Spur und das Tram vor einem hält, dann hält man notgedrungen auch. Da hilft nur Geduld.
Es ist also eine Art strategisches Spiel mit häufigem Spurwechsel. Am Ende bringt es dann doch selten etwas.

Und im CBD ist da noch der gefürchtete Hook-Turn. Will man in einer zweispurigen Strasse mit Tram nach rechts abbiegen, muss man links (sic!) einspuren. Hat man dem Punkt zum Abbiegen erreicht, hält man an und wartet, bis die Ampel auf rot geht. Das stoppt natürlich auch den Gegenverkehr, und JETZT biegt man rassig über die rechte Spur hinweg ab, bevor die Querstrasse grün hat. Wer gleichzeitig hinter einem links abbiegen wollte, hat Pech gehabt und muss warten …

 Das ominöse Signal: RIGHT TURN FROM LEFT ONLY

Die drei Autos links haben bis jetzt links gewartet, nun biegen sie rechts ab.

Melbourne scheint eine beliebte Stadt zu sein.

Die Sydneysider machen zwar faule Sprüche, aber Melbourne ist dennoch am Wachsen wie verrückt! Am Stadtrand kann man fast zuschauen, wie sich die Stadt in alle Richtungen ausdehnt. Wo vor zwei Jahren noch eine trockene Schafweide war, ist heute ein kleiner See, ein Einkaufszentrum, eine Einkaufstrasse mit aller Art von Geschäften, und darum herum steht eine grössere Zahl von ein- und zweigeschossigen neuen Häusern. Es ist erstaunlich, wie die Stadt mit dem Wachstum fertig wird. Leider kann der öffentliche Verkehr nicht mithalten. Die Regierung von Victoria versucht allerdings aktiv, neue Zuwanderer in die anderen Städte Victorias umzuleiten. Das Nationengemisch in der Stadt ist unglaublich.



Wart Ihr wohl in Melbourne?

Ja, sehr. Ein extrem guter Lifestyle gepaart mit der attraktiven Umgebung (Parks, Meer, Berge, Wälder, Seen, Flüsse, etc.) lädt schon zum Verweilen ein. Melbourne ist nicht so anstrengend wie z.B. Manhattan, wo das Leben in fast unverändertem Takt über 24 Stunden pulsiert, obwohl in Melbourne die Supermärkte auch sieben Tage in der Woche von 6 bis 22 Uhr geöffnet sind. Man kann aber mit dem Velo nicht einfach in 20 Minuten an den Wohlensee entfliehen.

Habt Ihr dort in den 15 Monaten ein soziales Netz aufgebaut?

Nein, es wäre übertrieben, das zu sagen. Die Australier trennen ziemlich strikt zwischen Arbeit und Freizeit. So konnten wir am Abend und übers Wochenende nicht einfach "an unsere Arbeitskollegen andocken", obwohl das gelegentlich möglich war. Es war eine gute Entscheidung, dem Range-Rover-Club beizutreten: dort lernten wir viel übers Geländefahren; nahmen an gemeinsamen Ausfahrten und den monatlichen Club-Meetings teil; halfen mit, einen 34-jährigen Range Rover zu restaurieren; und lernten so recht viele interessante Leute kennen. Speziell Catherine und Peter werden uns hoffentlich als Freunde weiterhin erhalten bleiben.

Ich kann es allen empfehlen, fast egal welchem Club beizutreten und dort mit Gleichgesinnten Zeit zu verbringen. So lernt man die Australier bei dem kennen, was sie am liebsten tun und wo sie auch dementsprechend offen sind.

Was hat Dir an Melbourne am besten gefallen?


Die Café- und Restaurant-Szene; die Arkaden im CBD; und die vielen Parks, vor allem der Botanische Garten. Aber Melbourne ohne das umgebende Victoria wäre nicht halb so lebenswert. Victoria wird zu unrecht bei Australienreisen "übersehen", dabei hat es viel, viel mehr zu bieten als nur die Great Ocean Road!


(Fortsetzung: Teil 4, Arbeiten in Melbourne)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen