Donnerstag, 27. Januar 2011

Sheffield Murals

Sheffield im Norden von Tasmanien schien in den 1980er-Jahren gleich doppelt dem Untergang geweiht: zum einen war die Landwirtschaft, von der die kleine Stadt fast 150 Jahre fast ausschliesslich gelebt hatte, im Umbruch und beanspruchte zusehends weniger Arbeitskräfte; zum anderen waren ein Stausee und zwei Wasserkraftwerke, an deren Bau über tausend Arbeiter beteiligt gewesen waren, fertiggestellt, und die Arbeiter zogen fast über Nacht weg. Der Stadtrat suchte verzweifelt nach Möglichkeiten, den Niedergang von Sheffield zu verhindern. Auf der Habenseite blieben noch die reiche Vergangenheitder Stadt, der narkante Mount Roland im Süden, und die Lage am Touristenstrom zum Cradle Mountain und zurück.
Was 1984 mit einem Wandgemälde gleich neben der öffentlichen Toilette begann (man hatte festgestellt, dass dort die Touristendichte am grössten war), ist zu einer Erfolgsgeschichte geworden. Heute gibt es in dem Städchen mehr als fünfzig grössere und kleinere Wandgemälde; Sheffield hat sich zu einem eigenen Touristenziel gemausert und hat sich zusätzlich zu einem kleinen aber wohlbekannten Kunstzentrum entwickelt.


Es ist erstaunlich, mit welchem Weitblick die Wandgemälde (engl. mural) geplant und ausgeführt wurden. Ca. zwanzig Werke wurden direkt von der Stadt in Auftrag gegeben, von lokalen Künstlern entworfen und gemalt. Alle haben die Entwicklung und die Geschichte der Stadt sowie der nahen Umgebung zum Inhalt. Die Idee selbst stammte allerdings nicht aus Sheffield, sondern man kopierte die kanadische Stadt Chemainus, welche sich so bereits früher den Weg zurück in die Gegenwart gebahnt hatte.
(Bilder anklicken für Vergrösserung).

 Verpasste Gelegenheit: die Urgrosseltern vom heutigen Inhaber von "Slater Menswear" liessen sich vom Hern auf dem Stuhl nicht zu einer Investition überreden, die ihnen später Millionen gebracht hätte.

Persönlichkeit: Der charismatische Polizist, der an vielen (Winter-) Bergrettungen beteiligt war.

Mein Lieblingsbild: Gustav Weindorfer, der Umweltaktivist von vor 100 Jahren in seinem "Waldheim" nahe Cradle Mountain.

Turnunterricht: Cricket. Statt einem Wicket aus Holz werden vier Rüebli verwendet :-)

War einmal: Die Fellhandlung Wilcox Mofflin Limited, welche jährlich bis zu 1.5 Mio Felle handelte.

Neben den etablierten, permanenten Wandgemälden findet sich auch eine Serie von Werken aus dem alljährlichen Wettbewerb. Entwürfe zu diesen Bildern werden von Künstlern eingereicht und dann innert einer Woche gemalt. Dann hängen sie ein Jahr lang neben dem Visitors Centre, bevor sie übermalt werden.


Natürlich gibt es einen Stadtplan, auf dem alle Werke eingezeichnet sind, und man kann selbst einen Rundgang zusammenstellen.


Viel besser ist es aber, sich für 9 Dollars im Visitors Centre einen Audio Guide zu mieten (plusminus ein iPod) und sich in knapp zwei Stunden zwanzig Werke von einem Sprecher, von Kunstverständigen und von den Künstlern selbst erklären lassen. So entdeckt man auch die kleinen Spässchen, die die Maler in die Bilder einfliessen liessen.

Mäuse im Rossgeschirr (Bildmitte).

Und da die Gemälde ja alle einen (kultur-) historischen Inhalt haben, hat man am Ende auch gleich die Entstehung und die Geschichte von Sheffield vermittelt erhalten. Faszinierend!

Mittwoch, 19. Januar 2011

Die Reissbrettstadt

Einige Leute werden sich an die Stirn tippen, wenn sie erfahren, dass wir Sydney aus unserer Reiseroute strichen und stattdessen mehr Zeit in Canberra verbrachten. Aber genau das haben wir getan. Und wir bereuen es nicht, denn Canberra ist nämlich besser als sein Ruf als langweilige, künstlich geschaffene Regierungsstadt.

National Art Gallery

Es ist wahr, dass der Ort 1908 in einer formellen Evaluation aus einer ganzen Reihe von möglichen Kandidaten für die neu zu gründende Kapitale der 1901 geschaffenen Nation Australien auserkoren wurde (vorher bestanden lediglich sechs einzelne britische Kolonien, und Melbourne hätte nie zugelassen, dass Sydney die Hauptstadt wird, und umgekehrt). Es ist wahr, dass "Canberra" 1913 als Name für die neue Stadt gewählt wurde (Alternativen waren u.a. "Shakespeare", "Eukaypt", "Wombat", etc.). Es ist ebenso wahr, dass das Layout der neu zu bauenden Stadt 1912 via einen Wettbewerb bestimmt wurde, den der US-Architekte Walter Burley Griffin und seine Frau gewannen (vorher gab es dort nur ein paar Schaf- und Viehfarmen). Alles per Design und Dekret, sozusagen.
Die Landesväter hatten sich sicher nicht vorgestellt, dass es bis 1927 dauern würde, bis sie das provisorische Parlamentsgebäude in Canberra beziehen konnten (das definitive wurde 1988 eröffnet), und dass die Wirtschaftskrise und der Zweite Weltkrieg die neue Stadt in ihrer Entwicklung aufhalten würden. Der von Burley Griffin ins Zentrum seines Designs gestellt (Stau-) See wurde erst 1964 eingeweiht. Dass es aber bis gegen das Ende des 20. Jahrhunderts dauerte, bis die Stadt in die Gänge kommen würde, war wirklich nicht zu erwarten.

Canberra ist aber wirklich eine bemerkenswerte Stadt. In einer ersten Phase für bloss 25'000 Leute geplant, zählt sie heute 430'000 Einwohner, und man kriegt keineswegs den Eindruck, sie würde aus allen Nähten platzen. Ganz im Gegenteil: die Stadt ist unheimlich "roomy". Es ist nicht eine Stadt mit Pärken, es ist ein Park mit einer Stadt. 20 Millionen Bäume wurden in und um die Stadt gesetzt. Die Strassen (inklusive Quartierstrassen) sind breit, mit Grünstreifen links und rechts und oft auch zwischen den beiden Richtungen. Oft gibt es Velostreifen oder sogar Velowege, und tatsächlich wird mehr Velo gefahren als wir das bisher in irgendeiner anderen australischen Stadt gesehen haben.


Hügel zu allen Seiten und Berge in der Distanz verleihen eine interessante Kammerung. Und der See ist das Tüpfchen auf dem "i".



Canberra besitzt gleich eine ganze Reihe von erstklassigen Museen. Unser Freund Peter hatte uns prophezeit, dass wir leicht einen ganzen Tag im War Memorial Museum verbringen könnten. Wir kamen an einem Tag nicht einmal bis in den zweiten Stock.


Das Museum zeigt auf eindrückliche Weise, wie engagiert die australischen Streitkräfte in der Weltpolitik mitmischten (als Teil es britischen Empire bedeutete eine Kriegserklärung durch die Queen, dass Australien nun auch im Krieg war), und wie hoch die Verluste waren (über 100'000 im Ersten Weltkrieg, über 250'000 im Zweiten). Dabei war der einzige eigene Konflikt 1942 ein eher unbedeutender Angriff der Japaner auf Darwin und Sydney (der aber bedeutend bedeutender ausgefallen wäre, wenn Australien in Südostasien die Aliierten nicht schon früher kräftig unterstützt hätte). Auch die Widersacher dieser kriegerischen Auseinandersetzungen werden im Museum gewürdigt und mit vielen Originalartefakten dargestellt.


Die National Portrait Gallery im neuen Gebäude ist eine Wucht, die Sonderaustellung mit 1.0x1.5m-Werken von Martin Schoeller war eine Zugabe erster Klasse.


Die National Capital Exhibition erklärt und dokumentiert multimedial und mit tollen Modellen und Originalplänen den Werdegang von Canberra selbst und offeriert dabei eine kaum zu überbietende Aussicht auf den See und den südlichen Teil der Stadt.



Modell (Sicht gegen Süden)

Der Telstra-Turm auf dem Black Mountain bietet einen einzigartigen 360°-Rundblick über die Stadt und zeigt auch, dass Canberra auf allen Seiten von Grün umrundet ist.


Und schliesslich kamen wir auch kulinarisch auf die Rechnung und assen uns durch das Manuka-Quartier rund um die Franklin Street.

Natürlich kann sich Canberra in vielen Bereichen nicht mit Sydney messen, aber da wir beide zu früheren Zeitpunkten schon in Sydney aber nicht in Canberra waren, genossen wir die drei Tage "in the mountains" vorzüglich (Canberra liegt auf ca. 600m.ü.M, der Mount Kosciuszko im angrenzenden Nationalpark ist 2228m hoch).

Sonntag, 9. Januar 2011

Die achte Plage

Es wäre übertrieben zu schreiben, das Land habe sich im biblischen Sinn verfinstert, bevor sie über uns hereinbrachen. In der Tat nahmen wir zuerst nur ein gelegentliches "pongg ... pongg ... bingg ... pongg ... toc ..." gegen die Frontverkleidung unseres Bremach wahr, respektive gegen die Funkantenne und die Windschutzscheibe, wo ein hässlicher Gel-artiger Riesenfleck zurückblieb.



Als das Licht etwas änderte, sahen wir, dass es ziemlich grosse Insekten in der Luft hatte. Aber bald wurden es mehr, und es tönte nun "pongg-pongg ... pongg ... toc-bingg-pongg ...". Langsam dämmerte es uns: bereits im Oktober hatte der Staat Victoria viele Millionen Dollars zur Abwendung einer möglichen Heuschreckenplage ausgegeben, welche offenbar fast immer auf einem sehr feuchten Winter folgt. Die Farmer waren aufgerufen, Larvennester zu melden und zu vernichten. Einer hat eigens eine Heuschreckenvernichtungsanlage auf einen Anhänger gebaut, welche die Larven und die Heuschrecken (engl. locusts) wie ein Staubsauger aufsaugt und in einem mächtigen Ventillator schreddert, dann den Eiweissbrei als Dünger aufs Feld zurückspuckt.

Locusts sind im ausgewachsenen Stadium zwischen 4 und 7 cm lang und haben ziemlich grosse Flügel.


Im Unterschied zu den Heugümpern in Europa (engl. grasshopper), verwenden die Locusts ihre Flügel zum Fliegen. Sie stossen mit ihren kräftigen Hinterbeinen ab, und surren dann mit Flügelpower fünf bis mehrere hundert Meter weit, bevor sie sich wieder niederlassen. Und nach kurzem wieder weiterfliegen.


Sie sind allerdings keine guten Flieger und lassen sich mehr vom Wind in eine Richtung treiben, als dass sie selbst die Richtung bestimmen. Auf diese Weise kommt ein Schwarm aber sehr weit und richtet entsprechend Schaden an, vor allem wenn das Wetter schlecht ist: dann bleiben sie sitzen und fressen.

 Die weissen Punkte vor den Bäumen resp. die grauen Punkte im Himmel

Locusts fressen ausschliesslich Grünzeug. Natürlich frisst eine Heuschrecke nur wenige Gramm pro Tag, aber 100 Millionen mal z.B. ein Gramm sind eben auch schon 100 Tonnen pro Tag. Das freut die Farmer und Hobby-Gärtner wenig. Inzwischen hat der Staat Victoria von Prävention auf Schadenlinderung umgestellt, und entschädigt Farmer, deren Ernte Einbusse erleidet.

Beim Fahren hilft nur eines: verlangsamen. Bei ca. Tempo 60 kriegen viele der Heuschrecken noch rechtzeitig die Kurve, statt auf Kühlergrill und Windschutzscheibe zu landen. Da sie sich aber vorzugsweise auf die warme Strasse setzen, um dann bei jedem herannahenden Fahrzeug im dümmsten Moment einen Meter hochzuspringen, ("pongg-pongg-pongg"), ist ein gewisser Kollateralschaden beim Fahren nicht zu vermeiden.



Viele Einheimische denken natürlich nicht daran, das Tempo zu verringern,


sondern Erleichtern sich die Reinigung des Fahrzeugs, indem sie ein geeignetes Netz for den Kühlergrill spannen, damit nicht alles im Kühler endet, diesen verklebt, und schliesslich der Motor überhitzt.


Auf jeden Fall, so wurde uns eindringlich versichert, dürften wir nur mit kalten Wasser die sterblichen Überreste abspritzen, weil sich mit heissen Wasser eine fast unlösliche Masse bilde. Gesagt, getan und funktioniert!

Sonntag, 2. Januar 2011

Sonne

"The Australian sun does not take prisoners" (die australische Sonne macht keine Gefangenen) habe ich in einem Handbuch übers Reisen im Outback gelesen. Damit war natürlich nicht ein deftiger Sonnenbrand gemeint, sondern dass Hitze und Trockenheit zusammen mit Abgeschiedenheit keinen Spielraum für Fehler zulassen. Nun, vor allem der letzte Faktor war gestern nicht gegeben, als wir kurz nach sechs Uhr morgens die gut 30 km von Melrose (Google Map) in die Alligator Gorge radelten, wo es übrigens keine Alligatoren gibt.



Bereits am Tag zuvor war es über 40°C heiss gewesen und nachts hatte es nicht unter 30°C abgekühlt (in der Schweiz werden Nächte, in denen die Temperatur nicht unter 20°C fällt, als tropische Nächte gezählt ...). Für gestern waren bis zu 45°C angesagt gewesen. Also besser früh starten und zeitig wieder zurück sein!



Wir hatten zusammen vier Liter Wasser dabei, wovon nach der kurzen Wanderung durch die Gorge noch immer etwa zwei Liter übrig waren. Allerdings war es da bereits 10 Uhr. Auf den 11 km bis Wilmington waren bloss etwa 250 Höhenmeter zu überwinden, aber der heisse Gegenwind trocknete Haut und Mund buchstäblich in Windeseile. Bis Wilmington waren unsere Flaschen fast leer, und es standen noch die 21 km bis Melrose (mit gutem Rückenwind!) zu Buche. So kippten wir in der Kühle der "Country Supplies and Petrol"-Station von Wilmington innert Minuten durstig eine Flasche Mineralwasser in uns rein und teilten eine weitere auf unsere zwei Trinkflaschen auf (total also 1.25 Liter pro Person). Die Frau von der Service-Stelle schüttelte nur den Kopf.







Es wäre übertrieben zu schreiben, die Fahrt durch die baumlose, leicht gewellte Ebene bis Melrose sei ein Trip durch die Hölle gewesen -- immerhin machten wir mit Rückenwind so um die 35 km/h -- aber nach 18 km und mit erneut wieder fast leeren Flaschen waren wir so aufgeheizt, dass wir beim ersten grossen Baum Zuflucht suchten und uns für die verbleibenden 3 km zuerst etwas abkühlten.

Auf der Strecke gab es alle paar Minuten Autos und am Strassenrand hätte man auch Schatten gefunden, aber die Situation zeigte uns wieder einmal deutlich, dass mit so viel Sonne und Hitze tatsächlich nicht zu spassen ist. Immer wieder wird darauf aufmerksam gemacht, dass man bei Reisen ins Outback (was es gestern nicht war) mindestens 8 Liter Wasser pro Tag und Person mitführen und im Falle einer Panne unbedingt beim Fahrzeug und im Schatten bleiben soll. Viele Europäer (und auch Australier!) haben diesen dringenden Rat schon ignoriert und später mit dem Leben bezahlt. Im Outback steigen die Temperaturen nicht selten auf 48 oder 50°C. Wie die Schafe im Pelzmantel dies überlegen, ist ihr Geheimnis.



N.B. Über Nacht hat der Wind gedreht und heute war die Temperatur tagsüber wieder bei erträglichen 33°C. Es war gut, wieder mal zu fühlen, was zwei Hitzetage mit einem anstellen, und waren froh, dass es heute kühler war, weil vor allem auch Schlaf und Erholung unter der Hitze leiden. Ein Australier auf dem Campingplatz meine, dass nach einer Hitzewoche alle aussähen wie Zombies.