Sonntag, 26. Dezember 2010

25. Dezember, Memory Cove

Als der Engländer Matthew Flinders mit seinem Schiff Investigator 1802 die südaustralische Küste kartografierte, ertranken acht seiner Seemänner, als ihr Boot beim Versuch Trinkwasser aufzutreiben von einer Strömung erfasst wurde und kenterte. Flinders nannte die Bucht zum Gedenken Memory Cove.


Heute ist diese extrem schöne Bucht in die Memory Cove Wilderness Protection Area (Google Map) integriert, welche ihrerseits Teil des Port Lincoln National Parks ist. Maximal 15 Fahrzeuge werden pro Tag in die Area eingelassen (einen Schlüssel für das Tor gibt's gegen ein Depot von $50 auf dem Visitors Centre in Port Lincoln), und in Memory Cove selbst ist einer jener Camping Grounds, von denen man noch Jahre später schwärmt: gleich hinter den ersten Dünen, 20 m vom Strand, befinden sich fünf nummerierte und abgesteckte Plätzchen unter Mallee- und Eukalyptusbäumen.


Das Meer ist klar und lud zum ersten Bad der Saison ein.


(Fürs Protokoll sei erwähnt, dass Beat bei seinem Besuch bereits vor einem guten Monat in Apollo Bay die Saison diesbezüglich eröffnet hat, bei geschätzten 16°C).

Man hat uns vielfach versichert, dass es ab dem 26. Dezember an allen Campingplätzen am Meer zugeht wie in St. Moritz am 26. Dezember: vorher läuft nichts bis nicht viel, und dann ist plötzlich die Hölle los. Aus diesem Grund war es möglich, dass wir vor einer Woche überhaupt noch einen Platz in Memory Cove für zwei Nächte reservieren konnten ($15 pro Nacht). Vom 24. auf den 25. waren sogar nur zwei der fünf Stellplätze belegt, sodass wir uns den schönsten, Nummer 2, unter den Nagel rissen, obwohl wir Nummer 5 zugeteilt hatten :-).
Bereits der Weg zur Memory Cove ist spektakulär. Eine Schotterstrasse führt 19 km durch wechselnde Vegetation, die immer wieder Aussicht auf ein tiefblaues Meer mit kleinen Inseln in Küstennähe und schäumende Brandung bietet.
Und zur Krönung gesellten sich am Weihnachtstag während dem Morgenessen noch vier Delphine zu uns, welche ihr Frühstück allerdings im Wasser einnahmen (ohne Foto).



Leider war es um 12 Uhr vorbei mit der Ruhe: zwei Fahrzeuge (je mit Bootsanhänger) und total elf Personen stürmten den Camping Ground und die Beach, und als erstes musste ein Motorboot zu Wasser gelassen werden, obwohl es eigentlich keine Bootsrampe gibt -- der Pfosten, der genau dies verhindern sollte, war auf jeden Fall kein ernstes Hindernis.


Die Hölle kann also ausnahmsweise auch schon am 25. Dezember losbrechen. Wir werden uns also für die kommenden Tage daran gewöhnen müssen, Camping Grounds und Strände nicht mehr für uns alleine zu haben. Aber vielleicht ja danach wieder.


Wir wünschen allen nachträglich eine frohe Weihnacht und einen erfolgreichen Start ins Neue Jahr!

Sonntag, 12. Dezember 2010

Der Klassiker: Great Ocean Road

Seit knapp zwei Wochen sind Jeannine und ich motorisierte Nomaden, da wir unsere Wohnung in Melbourne aufgelöst haben. Nun geniessen wir die Freiheit, täglich — und noch bis Ende Februar — aufs Neue bestimmen zu können, wie die Reise weitergeht.

Als erstes, und sozusagen vor der ehemaligen Haustüre, nahmen wir uns die Great Ocean Road vor, die wir wohlweislich aufgespart hatten, obwohl ihr östliches Ende weniger als 100 km von Melbourne entfernt ist. Die Great Ocean Road (GOR) ist das wunderbare Stück Küstenstrasse zwischen Port Fairy und Torquay. Sie ist wohl das touristische Aushängeschild von Victoria. Zu recht. In Eile liesse sie sich in einem Tag abspulen, aber eine Woche scheint eine bessere Planung zu sein, glaubt man all jenen, die es in drei Tagen versucht hatten, denn es gibt natürlich mehr zu sehen als nur schöne Buchten.


Google Map gross

Die Frage, ob man die 279 km lange GOR von Westen nach Osten oder von Osten nach Westen befährt, ist nicht akademisch. Der typische Australientourist fährt entweder von Adelaide nach Melbourne oder umgekehrt (auf der kürzesten Route 728 km, via die GOR 963 km). Welche Richtung ist vorzuziehen? Nun, wenn man dem Thunersee über Gunten entlangfährt, dann bietet die Fahrt von Thun nach Interlaken die bessere Aussicht als die Gegenrichtung, weil man auf der Seeseite fährt und weil die Aussichtspunkte auch auf der Seeseite liegen. Dasselbe gilt für die GOR, aber da in Australien Linksverkehr herrscht, ist man dem Meer näher, wenn man von Melbourne nach Adelaide fährt. Da wir ohnehin in Melbourne starteten, traf sich das prächtig.

Das ikonische Bild von der Great Ocean Road sind natürlich die Twelve Apostles:


Ebenso natürlich hat die GOR viel mehr zu bieten als nur diese Kalksteintürme, von denen alle paar Jahre einer Schlagzeilen macht, weil er umstürzt oder weil der Steinbogen, mit dem er noch mit dem Festland verbunden war, einbricht, und ein paar verwirrte Touristen auf einem Pfeiler im Meer zurücklässt.
Von Melbourne herkommend, fährt man zuerst gut 100 km erstklassige Kurvenstrasse, teilweise in steile Felswände gehauen, teilweise entlang felsigen oder sandigen Stränden. Gegen das Cape Otway hin, entfernt sich die Strasse vom Meer und führt durch wunderschönen, sogn. kalten Regenwald, der zum grossen Teil aus hohen Eukalypten, Myrtle-Buchen und Farnen besteht.


Dort ist man mitten im Otway Nationalpark, der sich über eine Länge von mehr als 100 km erstreckt und sich auf über 600 m.ü.M. erhebt. Der Park bietet viele tolle Spaziergäng zu Wasserfällen, eine Velotour auf dem Trassee einer ehemaligen Eisenbahn (die Schienen und Bahnschwellen wurden entfernt ...), ein Dutzend kostenlose Camping Grounds mitten im Wald oder direkt am Meer, einen Leuchturm, Wälder mit Koalas, Ferienorte mit guten Restaurants, Surfstrände, etc. Und dann gibt es auch noch den 91 km langen Great Ocean Walk.




Port Fariy

Die GOR ist natürlich besonders eindrücklich, wenn hohe Wellen branden und die Sonne scheint. Dann tost der Southern Ocean und die Gischt spritzt. Leider waren die Wellen diesmal etwas kläglich und das Wetter wechselhaft und eher kühl.


Trotzdem: die Great Ocean Road ist ein Muss und lohnt sich bei jeder Witterung, denn nach Regen sind die Wasserfälle besonders schön.

Little Aire Falls

Eine Woche kann man so locker mit einem höchst attraktiven Programm füllen.

Sonntag, 28. November 2010

Damn important!

Melbourne zählt sicher zu der Handvoll Städte auf der Welt mit dem höchsten Pro-Kopf-Kaffeekonsum. Ohne Kaffee geht nicht viel. Ich habe nicht einmal zu zählen versucht, wie viele Cafés es denn in etwas gibt. Wohl eher tausende als hunderte. Allein auf meinem Arbeitsweg passierte ich sechs bevor ich in die Metro stieg, und dann zwischen dreissig und vierzig auf den 12 Minuten Fussweg zwischen Flinders Street Station und Büro.

Natürlich haben die wenigsten Leute die Zeit, sich jeden Morgen irgendwo niederzulassen, Kaffee zu trinken oder sogar noch etwas zu essen. So bietet jedes Café auch immer take away ("to go") an. Die meisten haben Karton- oder Plastikbecher in speziellem Design.


Vom Design her gefällt mir der Griffiths-Becher am besten:


Wichtiger ist jedoch der Inhalt. Hier meine Favoriten: large latte von Cocoa Bean oder von Degani.


Es ist oft möglich, seinen eigenen, wiederverwendbaren Becher auffüllen zu lassen, wenn man das will. Einige der präsentierten Becher, die ich auf diese Weise zu Gesicht bekam, wären wohl in der Mülltonne besser aufgehoben gewesen. So oder so, jedem seinen daily grind 1.

Damn important!


1 Daily Grind ist natürlich ein Wortspiel: to grind heisst mahlen, aber traditionellerweise wurde die tägliche "Büetz" als the daily grind bezeichnet, nicht der tägliche Kaffee.

Mittwoch, 24. November 2010

Damn good!

In England, Australien und Neuseeland gibt es unter der Woche kaum eine ausgeprägte Frühstückskultur wie in der Schweiz. Entweder begnügt man sich mit einem schnellen Toast, einem "muesli" oder mit ein paar Wheet-Bix, vielleicht noch ein paar Früchte dazu. "Richtiges" Brot, Confischnitte, Käse, etc. ist nicht angesagt.

Dafür wird am Wochenende ausgiebig gefrühstückt, wozu man so gegen 11 Uhr in eines der vielen Cafés pilgert. Die Auswahl ist reich, und die Portionen sind es meist auch. Bei den meisten Gerichten sind Eier im Spiel (Bacon and Eggs, Eggs Benedict, Scrambled Eggs, etc.), aber auch Beans on Toast oder muesli mit Früchten sind populär. Die für uns ungeschlagene Kombination offeriert das DUKES Café in der Chapel Street: Hummus-Toast mit Guacamole, zwei pochierten Eiern, in Honigsauce marinierte und gebratene grosse Speckwürfel und etwas Portulak-Salat:


Damn good!

Montag, 15. November 2010

Damn right!

Am Freitag vor einer Woche schafften es Jeannine und ich unterwartet und erstmalig, vor der Arbeit im Palate Café in der Greville Street einen latte zu trinken, wie hier der caffè latte kurz genannt wird. Cafés hat es sehr viele, doch Strassencafés sind rar, und wenn einem die Frühlingsmorgensonne auf das Tischlein scheint, dann ist die Welt gleich doppelt in Ordnung.

Drinnen orderten wir beide einen tall latte und ein muffin und setzten uns draussen hin. Der Kaffee wurde im hohen Glas serviert – das Frölein musste zweimal laufen, weil sie nicht mehr als einen aufs Mal tragen konnte (das Tablett als Werkzeug ist hier nur ausnahmsweise im Gebrauch):

Die Zuckerdose ist normal gross.

Als sie mir die Lieferung vorsichtig auf den Tisch stellte, sagte ich augenzwinkernd, "now that's what I call a tall latte".  Sie antwortete ebenso vergnügt wie trocken, "Damn right!".

Freitag, 12. November 2010

Im Outback — Teil 6: Stock Routes & Droving

Teil 5

Wer den Film "Australia" gesehen hat, kennt auch den Drover — das ist der australische Cowboy, der unablässig eine Herde von Pferden ums Haus treibt, was zwar tolle Bilder abgibt, aber etwa so unsinnig ist, wie eine Gruppe Kühe im Stall herumzuscheuchen. (Trotzdem, wer den Film noch nicht gesehen hat, dem ist er zu empfehlen, weil er einen guten Eindruck vom Outback und dem Leben dort vermittelt; die Story ist eher dünn).
Was also den Amerikanern ihr Cowboy und den Argentiniern ihr Gaucho, ist den Australiern der Drover. Es wird eine gute Portion Mythos und Romantik damit verbunden, obwohl es harte, karge, staubige und einsame Arbeit war, vor allem Kühe quer durchs Outback zu treiben. Den Beruf gibt es so heute nicht mehr, und die Letzten, die ihn noch ausübten, bestätigen, dass die 16. Stunde im Sattel bei nasskaltem Wetter oder im Staub meist keinen Spass mehr machte.

(Bild OUTBACK Magazine, Oct/Nov 2010)

In seinem kürzlich erschienen Buch, "The Drovers – Stories behind the heroes of our stock routes", beleuchtet der australische Historiker Evan McHugh die Geschichte der Viehzucht in Australien und des Viehtreibens über lange Distanzen (droving).
Droving ist ein wichtiger Teil der Besiedlungsgeschichte Australiens, welche von der Küste (Sydney, Melbourne, Brisbane, Adelaide, Perth) her gegen das Landesinnere erfolgte. Unter anderem der Goldrausch ab 1850 in grossen Teilen von Victoria, aber auch in Western Australia und anderen Teilen Australiens, führte zu einer enormen Immigrationswelle, und eine immer grösser werdende Menge von Mäulern wollte gefüttert werden. Die besten Viehzuchtgebiete befinden sich in einem Bogen, der sich von Nordwesten her ums Lake-Eyre-Becken zieht (in nächsten Bild grün markiert), während die Märkte im Süden und Osten des Landes waren (dunkelrot).

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Was zuerst nur einzelnen "wilden" Drovers gelang (z.B. Harry Redford, der 1870 in Queensland eine Herde ungebrannter Rinder stahl und sie durch die Strzelecki-Wüste nach Adelaide trieb und dort verkaufte), wurde bald zur etablierten Praxis und zu einem lukrativen Geschäft. Ein Drover (= Boss) wurde jeweils von mehreren stockmen, von einem Koch, von Pferdejungen, von ochsengezogenen Wagen und zusätzlichen Pferden begleitet (drei Pferde pro Reiter). Bald wurden Stations in grösserer Zahl in den guten Weidegebieten gegründet und Wege durchs Outback gefunden, auf denen Herden von 200 bis 2000 Rinder getrieben werden konnten, die sogn. stock routes (stock = Vieh). Die bekanntesten dieser Routen sind der Birdsville Track, der Strzelecki Track, die Canning Stock Route und der Muranji Track. Die meisten Routen führten zum nördlichen Ende einer Bahnlinie, über welche die Rinder dann in die Städte und Hafen gefahren wurden (z.B. Wiluna oder Marree, siehe Karte)

Da Rinder aber nicht mehr als zwei Tage ohne Wasser laufen — oft verendeten ganze Herden unterwegs—, konnten sie anfänglich nur nach Überschwemmungen getrieben werden, indem Routen von Wasserloch zu Wasserloch gefunden wurden. Um den Handel zu fördern, begannen die Regierungen der verschiedenen Staaten gegen Ende 19. Jahrhunderts, Bores entlang der Routen zu finanzieren. Nur so wurde es möglich, dass mehr als nur alle paar Jahre ein mob Rinder die Reise antreten konnte. Mit den Bores wurden auch neue Stations im Landesinnern gegründet, wie z.B. die Arckaringa Station.

Einer, der dieses Geschäft besonders gut und erfolgreich betrieb, war der Cattle King Sydney Kidman.
Er gründete und kaufte strategisch geschickt 90 Stations (mit total 340'000 km2, zum Vergleich: CH 41'000 km2), sodass er seine Rinder je nach Verfügbarkeit von Wasser zwischen seinen Stations verschieben konnte, ohne anderen Station-Besitzern eine grazing fee (Gebühr) entrichten zu müssen.

Das Droving wurde in den 1960er-Jahren fast auf einen Schlag obsolet, weil die Strassen zahlreicher und besser wurden, und von nun an Road Trains die Rinder billiger, schneller und zuverlässiger transportierten. Über die ehemaligen Stock Routes werden heute 4x4-Fahrzeuge getrieben — in grösserer Zahl als je Rinder durchtrotteten.

(Bild OUTBACK Magazine, Oct/Nov 2010)

Heute werden die meisten Rinder nach Wyndham, Rockhampton und Townsville in die meat works (Fleischfabrik; auf der Karte blau markiert) gefahren und verschifft, oder direkt in die Städte, wo nach wie vor grosser Fleischbedarf vorhanden ist.

Droving war vor allem ein Männerjob (der berühmteste dürfte Nat Buchanan gewesen sein, der 1881 über sechs Monate 14'000 Rinder von Queensland ins Northern Territory trieb), aber es gab auch berühmte Droverinnen, wie z.B. Edna Zigenbine (Bildmitte).


Und wer nun immer noch am Outback interessiert ist, darf sich die Bilder von unserem Streifzug im September zu Gemüte führen (Slideshow starten!). Den Birdsville Track konnten wir nicht wie geplant befahren, dafür aber den Strzelecki Track und den Ooodnadatta Track.

Samstag, 30. Oktober 2010

Im Outback — Teil 5: Springs & Bores

Teil 4

Im ersten Teil dieser kurzen Serie über das Outback hatte ich unter anderem in Aussicht gestellt, dass ich den Versuch unternehmen würde zu erklären, wie das Outback funktioniert. Und natürlich steht auch noch die Erklärung aus, wozu die Windräder gut sind.

Eine wichtige Eigenschaft des östlichen Outback ist bereits erklärt, nämlich dass grosse Wassermengen aus den niederschlagsreichen Gebieten von Queensland und Northern Territory zum tiefsten Punkt des Lake-Eyre-Becken fliessen und dort verdunsten und dadurch alle paar Jahre Überschwemmungen verursachen und die Natur kurz aufblühen lassen. Dazwischen ist es aber über Jahre fast vollkommen trocken; die letzte Dürre, die z.B. in New South Wales vergangene Woche offiziell zu Ende ging, dauerte 9 Jahre. Wie können die Stations und ihre Rinder oder Schafe so lange ohne Wasser auskommen? Die Antwort ist einfach: sie können nicht.

Das Lake-Eyre-Becken hat nämlich noch eine weniger gut sichtbare Eigenschaft: es ist ein riesiges artesisches Becken, in welches am Rand Wasser einfliesst, zwischen den Gesteinsschichten zuerst runter und dann seitwärts wandert, und dort wo es Risse und Löcher Richtung Oberfläche hat, nach oben gedrückt wird und an gewissen Stellen dann aus dem Boden austritt. Das kann man sich veranschaulichen, indem man, sagen wir, zwei Salatschüsseln aus Plastik ineinanderstellt und Wasser in die Spalte einlaufen lässt. Drückt man die innere Schüssel dabei hinunter, ist bald einmal voll. Bohrt man nun ein kleines Loch in die innere Schüssel, beginnt dort das Wasser hochzusprudeln. Voilà ein artesischer Brunnen.

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Das unterirdische Wasser im Lake-Eyre-Becken stammt aus denselben Gebieten wie das oberirdische Wasser und ist mehrere Millionen Jahre alt. Die Aboriginees kannten viele der natürlichen artesischen Brunnen, welche es ihnen überhaupt erst ermöglichten, das Outback auch in der Trockenzeit zu durchqueren und dort zu leben.

Mound Springs (natürlich) 30 km SW vom Lake Eyre

Wo natürliche Brunnen fehlen, hat man bereits in den 1870er-Jahren gemerkt, dass man auch in die Grundwasserschicht bohren kann, und dass Wasser durch den Druck teilweise von selbst bis an die Oberfläche kommt. Das nennt man eine bore. An gewissen Orten sind das viele Tausend Liter pro Tag, oft ist das Wasser warm oder sogar kochend heiss. Die Menge hat kaum saisonale Schwankungen. Wo der Druck nicht bis zur Oberfläche reicht, kann man das Wasser hochpumpen. Pumpen ist aber Arbeit. Woher nehmen? — Genau, der Wind!

Bore mit Windrad und Wasserspeicher

Die Windräder sind Ikonen des Outback, aber sie wollen unterhalten werden. Oft werden sie das nicht, werden von Stürmen zerfetzt und zerfallen langsam. Neuerdings werden immer mehr Solarpumpen eingesetzt.

 Montecollina Bore (ca. 38°C)

Während die bores am Anfang (um 1900) vom Staat an ökonomisch-strategischen Stellen geplant und finanziert wurden, gibt es heute über 10'000 davon. Jede Station hat eine oder mehrere. Das Wasser wird in Tanks gespeichert, damit auch etwas da ist, wenn es nicht windet. Es ist teilweise sehr mineralhaltig und hat einen starken Geschmack, aber man gewöhne sich daran. Das ist wohl besser, denn das Leben hängt von diesem Wasser ab. Die total zur Verfügung stehende Grundwassermenge ist natürlich beschränkt, und sie reicht nicht aus, um in langen Dürrezeiten hunderttausende von Rindern oder Schafen zu tränken. Aber mehr dazu im nächsten und letzten Eintrag zum Outback.

Fortsetzung: Teil 6

Montag, 25. Oktober 2010

Im Outback — Teil 4: Arckaringa Station

Teil 3

Wenn in Australien oder Neuseeland von station die Rede ist, dann ist meist nicht der Bahnhof gemeint, sondern eine Schaf- oder Viehzucht, entsprechend sheep station oder cattle station. Der Begriff farm bezeichnet eher einen Betrieb, der auf Ackerbau spezialisiert ist.

Die Arckaringa Station befindet sich etwa 100 km nördlich von Coober Pedy, die Zufahrt über die staatliche Strasse ist zuweilen etwas ... ähm ... schwierig. Das schlimmte "Wellblech" auf der ganzen Reise.


Arckaringa Station (Google Maps)


Mit 2745 km2 entspricht die Station einem Quadrat mit Seitenlänge 53 km und ist somit etwa gleich gross wie der Kanton Tessin. Um eben mal die Nachbarn auf der Mount Barry Station zu besuchen (diese ist gut 5000 km2 gross), legt man gut 50 km zurück. Die im Norden angrenzende Station nimmt mit 10'000 km2 einen Viertel der Fläche der Schweiz ein.



Die Arckaringa Station lebt von der Rinderzucht. Den Stall sucht man allerdings vergeblich — die durchschnittlich 2000 Tiere verbringen die ganze Zeit im Freien. Ihr Auskommen ist eher karg, auch nach dem nassen Winter. Sie werden ausschliesslich fürs Schlachthaus aufgezogen; Milchkühe könnten hier nicht überleben. Zudem wäre die Lagerung und der Abtransport der Milch ein logistisches Problem und somit zu teuer. Nach starken Regenfällen ist die Station auch mal für eine Woche abgeschnitten.

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Auf der Station lebt genau eine Familie, sechs Personen. Den Strom liefert ein Dieselgenerator, das Wasser kommt aus dem Boden und wird in Stelzentanks gespeichert. Traktor gibt es keinen dafür zwei robuste Geländewagen, ein Motorrad und Hunde. Alle fürs Rindertreiben.

Auf dem Grundstück von Arckaringa Station befinden sich auch ein Teil der Felsen, die Painted Desert genannt werden. Nicht ganz umsonst. Das ermöglicht es der Familie, auf dem Hof für Touristen noch ein paar Zeltplätze und Cabins anzubieten und so ein paar zusätzliche Dollars zu verdienen.




Fortsetzung: Teil 5

Dienstag, 19. Oktober 2010

Im Outback — Teil 3: Die Wüste blüht

1953 hat Walt Disney im sehr erfolgreichen Dokumentarfilm "The Living Desert" (Deutscher Titel "Die Wüste lebt") gezeigt, wie Pflanzen und Tieren in Wüstengebieten nur durch extreme Anpassung überleben können. Tagsüber unerträgliche Hitze, nachts eisige Kälte; monate- oder jahrelange Trockenheit, unterbrochen von kurzen Perioden mit Regen und Überschwemmungen, in denen die Natur einen Moment Zeit hat, einen vollen Lebenszyklus zu absolvieren, bevor wieder die Dürre einsetzt.

Im eher theoretischen Teil 2 hatte ich erläutert, wie es dazu kommt, dass das südöstlichen Outback plötzlich mit so viel Wasser konfrontiert ist, und dass dieses nicht etwa ins Meer abfliesst, sondern sich am tiefsten Punkt des Lake-Eyre-Beckens sammelt und langsam verdunstet, bis nur noch die Mineralien zurückbleiben.


Bereits kurz nachdem Regen gefallen oder ein Überschwemmungszustand eingetreten ist, beginnen die Pflanzen eilig aus dem Boden zu schiessen ...




... um dann in voller Blüte aufzugehen.





Ich hatte aus Erzählungen und Filmen über Afrika schon oft von Wasserlöchern gehört, mir aber nie besondere Gedanken darüber gemacht. Sie entstehen in Geländesenken, aber vor allem auch entlang von Flussläufen, nachdem das Wasser aufgehört hat zu fliessen. Diese vorübergehenden Seen, Teiche und Tümpel bleiben oft monatelang Wasserspender für alle Arten von Tieren (mehr dazu in einem weiteren Eintrag).


Darüber freuen sich natürlich nicht zuletzt die Vögel. Es ist ein ungeklärtes Rätsel, woher die Pelikane wissen, dass 2000 km im Landesinnern neu ein See entstanden ist.



Vom plötzlichen Wachstum der Pflanzen profitieren die Insekten und die Reptilien; daran haben wiederum die Vögel und die kleinen Raubtiere Freude; und das setzt sich in der Nahrungskette fort bis zu den Dingos, welche für einmal nicht spindeldürr sondern mit glänzendem Fell herumpirschen.



So haben wir also ein untypisches aber höchst attraktives Bild vom Outback erhalten. Wenn wir nächstesmal in der Region sein werden (in ein paar Jahren vielleicht), dürften wir mit grosser Wahrscheinlichkeit wieder die übliche trockene und staubige Landschaft antreffen.

Allem Wasser im Osten zum Trotz hält aktuell die Dürre im westlichen Outback unvermindert an.

P.S. Im letzten Blog-Eintrag ist mir noch ein Fehler unterlaufen. Dürre in English ist drought (ausgesprochen "draut"), nicht draught (die britische Variante von draft und auch so ausgesprochen).

Fortsetzung: Teil 4

Dienstag, 12. Oktober 2010

Im Outback — Teil 2: Überschwemmungen?



Im Teil 1 über das Outback hatte ich versucht, grob die geografischen Grenzen zu umreissen. In diesem Teil möchte ich näher auf den Wasserhaushalt des südöstlichen Outback eingehen, da hier einige überraschende Zusammenhänge bestehen.

Es kommt nicht von ungefähr, dass das australische Outback mit rotem Sand, Trockenheit und Hitze assoziiert wird, denn ein Blick auf die Klimazonen von Australien zeigt, dass ein grosser Teil des Gebiets Wüste ist (im Diagramm orange markiert; beige bezeichnet übrigens Grasland, doch wer dabei an saftige grüne Alpwiesen denkt, liegt die meiste Zeit daneben).


Als kleine Denksportaufgabe überlege man sich an dieser Stelle kurz, was eigentlich eine Wüste ausmacht.

Das Niederschlagsdiagramm (1965-1995) spricht natürlich dieselbe Sprache, je weisser umso trockener:

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So erhält die Region beim roten Ring im Jahresschnitt ca. 140 mm Niederschlag, während die Verdunstung 2500 mm beträgt. Eine gebräuchliche Definition von Wüste ist, dass die Verdunstungsrate im langjährigen Mittel grösser ist als der Niederschlag. Nun erstaunt es aber doch, dass genau unter dem roten Ring der Lake Eyre liegt, ein Salzsee, der sich alle paar Jahre mal mit Wasser füllt und ein Viertel so gross ist wie die Schweiz.

Noch ein Diagramm: Höhe über Meer (die feine türkis Linie bezeichnet 0m, schwarz ist unter dem Meerespiegel, rot knapp drüber, blau bereits einige hundert Meter hoch).


Man erkennt auf dem Bild unter anderen, dass der Lake Eyre unter dem Meeresspiegel liegt, während die nördlich bis östlich angrenzenden Gebiete höhere Lagen sind, und die reichen Niederschläge somit wie in einem Trichter zum tiefsten Punkt fliessen. Das ist das sogn. Lake-Eyre-Becken.


Nun möchte ich aber nicht, dass ein falsches Bild entsteht: die meiste Zeit herrscht im Lake-Eyre-Becken extreme Trockenheit (drought) und der See ist nur noch eine weisse Salzkruste. Wie wir jetzt gelernt haben, bedeutet drought nicht keine Niederschläge, es bedeutet keine richtige Überschwemmung. Es braucht sehr viel Wasser, bis etwas im Lake Eyre ankommt. Dieses Jahr war es wieder einmal so weit.

Bereits im März und April dieses Jahres regnete es im südlichen Queensland sehr viel, und die Niederschläge hielten an bis im August, was die Flüsse anschwellen liess. Der Cooper Creek war stellenweise bis zu 60 km (sic!) breit, und seit 20 Jahren fuhr erstmals wieder die kleine Autofähre über den Fluss ... Zusätzlich gab es östlich vom Lake Eyre Anfang Septemer einige starke Gewitter, sodass ziemlich alle Strassen unpassierbar waren.

 Nowhere to go in Innamincka ...

... ausser vielleicht ins Pub



Warum wir trotz einiger Routenänderungen nicht traurig über das viele Wasser waren, werde ich im nächsten Teil zeigen.

Fortsetzung: Teil 3